Zuletzt bearbeitet am 20. Februar 2016.

 

 

 

HEPPENHEIMER MOTIVE

 

 

SERIE 5

 

 

Notgeld

 

 

 

 

 

Eine Aufstellung des Heppenheimer Notgeldes

 

Herausgegeben 1984 in der Broschüre „Bilder aus unserer Stadt“

anlässlich des Jubiläums 10 Jahre Fußgängerzone in Heppenheim.

Herausgeber: „Werbegemeinschaft Heppenheim“

 

 

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JÜRGEN MAURER UND DR. WILLY LIZALEK

Das Heppenheimer Notgeld der Kriegs- und Inflationszeit

„Was frag' ich viel nach Geld und Gut, wenn ich zufrieden bin!" Diesen von Johann Martin Miller 1776 gedichteten und von Mozart vertonten Versen möchte man von Herzen zustimmen. In der rauhen Wirklichkeit aber ist -aus unterschiedlichen Gründen und keineswegs stets von Habgier veranlasst - Geld nur allzu oft eine Voraussetzung der Zufriedenheit. Mangel an Geld kann Staaten ebenso wie Einzelper­sonen in ihrer Existenz ernstlich gefährden. Vollends verwirrt sich das Bild, wenn Geld nicht nur knapp wird, sondern wegen fehlender Deckung auch noch seinen Wert verliert. Beides ist meist die Folge von Kriegen, und beides blieb auch Heppenheim und seinem Kreis nicht erspart: 1918/19 ein empfindlicher Mangel an Kleingeld (nicht an Geld) und 1923 die rapide Geldentwertung. Wie die kommunalen Verwaltungen, Kreis und Stadt, diesen Erscheinungen gegensteuerten, soll im folgenden dargestellt werden. Verwunderlich mag man es finden, dass dieses merkwürdige Kapitel lokaler Wirtschaftsgeschichte bisher noch nie behandelt wurde, von Erwähnungen in Sammlerkatalogen abgesehen.

Das Kriegsnotgeld des Kreises Heppenheim

 

Der Kreis Heppenheim - zu ihm gehörte auch die alte Reichsstadt Wimpfen am Neckar - bestand bis zum 1. November 1938, bis ihm der Nachbarkreis Bensheim angeschlossen wurde und damit der Kreis Bergstraße entstand. Wimpfen wurde 1945 ausgegliedert. Dieser Kreis Heppen­heim sollte gegen Ende des Ersten Weltkrieges bei der Beschaffung von Kleingeld insofern eine Rolle spielen, als er  - und nicht wie anderswo meist Städte - die Initiative zur Prägung von Notmünzen ergriff.

 

Schon im November 1912 hatte das Großherzogliche Ministerium des Innern feststellen müssen, dass durch „Vorspiegelungen von Kriegsgefahr und von Zurückhaltung der Gold- und Silberbestände bei der Reichsbank" die Metallgeldhamsterei zu einem „Mangel an kleinen Zahlungsmitteln" geführt habe. Als 1915/16 die Reichsbank die 5- und 10-Pfennig-Münzen nicht mehr in Nickel, sondern in Eisen prägen ließ und im Auftrag der Heeresverwaltung die Nickelmünzen einzog, sah sich die Bevölkerung in ihrem Argwohn bestärkt, eine Geldentwertung stehe bevor. Aber auch die silbernen 1/2- und 1-Mark-Stücke wurden teils aus dem Verkehr gezogen, teils von den Bürgern zurückgehalten, sodass sich der Bedarf an Pfennigmünzen zusätzlich erhöhte. Ja selbst diese wurden gehortet, nicht wegen ihres geringen Metallwertes, sondern in der Annahme, Hartgeld widerstehe einer Entwertung eher als das Papiergeld, das überstempelt werden kann. Das Kreisamt Heppenheim befasste sich erstmals Anfang April 1918 mit dem Plan, eigenes Notgeld herauszugeben. Man nahm sich die Notmünzen des Kreises Lauterbach (Oberhessen) von 1917 zum Vorbild und erfuhr vom dortigen Kreisamt, dass die Münzprägeanstalt L. Christian Lauer (Nürnberg, Kleinweidenmühle 12) sie geprägt habe. Auf ein allgemein gehaltenes Angebot der Firma steckte der Kreisausschuss am 10. Mai durch seinen Beschluss den Rahmen der Geldschöpfung ab, nämlich 5- und 10-Pfennig-Stücke im Gesamtwert von 5000 Mark zu prägen. Mit der Anfertigung der Entwürfe nach den Lauterbacher Mustern wurde Amalie Schaedel (Darmstadt, Steinstraße 33) betraut, die sich vom Direktor des Darmstädter Staatsarchivs, Dr. Julius Reinhard Dieterich, bei der Gestaltung der Prägevorlagen beraten ließ und für ihre Arbeit 20 Mark erhielt. Gleichzeitig fragte das Kreisamt bei den Gemeinderechnern an, in welchem Umfang ein Kleingeldmangel bestehe. Die Antworten waren erstaunlich: Nur ein Drittel der Gemeinden hatte bisher einen solchen Mangel festgestellt; der Gemeinderechner von Gadern meinte gar, dass „Kleingeld nur von den unerfahrenen Frauenspersonen noch zu viel zurückgehalten wird". Dennoch blieb das Kreisamt bei dem Beschluss, Notgeld herauszugeben und hat damit, wie sich herausstellen sollte, richtig gehandelt. Zur Deckung des Notgeldes hinterlegte der Kreis bei der Reichsbankstelle Darmstadt 10000 Mark in 5%iger deutscher Kriegsanleihe als Kaution. Am 5. Juni 1918 gab die Prägeanstalt Lauer ihr endgültiges Angebot ab:

 

50 000 Stück „eiserne Marken" zu 5 Pfennig, das Tausend 10,50 Mark, dazu für 2 gravierte Prägestempel 34,50 Mark, 25 000 Stück dto. zu 10 Pfennig, das Tausend 14,85 Mark, dazu für 2 Stempel 40,50 Mark, alles mit 50 v. H. Teuerungszugschlag, zuzüglich Porto und Verpackung.

 

Immerhin dauerte es noch ein Vierteljahr, bis die Bürger am 2.Sept. aus dem „Verordnungs- und Anzeigeblatt für die Stadt Heppenheim und den Kreis Heppenheim" erfuhren:

 

Um den sich schon seit längerem im Kreise fühlbar machenden Mangel an Scheidemünzen möglichst zu beseitigen, hat der Kreisausschuss beschlossen, Notgeld auszugeben. Die Ausgabe des Geldes, bestehend aus Zehn- und Fünfpfennigsmarken, erfolgt vom 2. September 1918 an bei der Kreiskasse Heppenheim. Die öffentlichen Kassen sind durch Verfügung Großh. Min. d. Fin. vom 17. August 1918 ermächtigt worden, dieses Notgeld bis auf weiteres als Zahlungsmittel anzunehmen.

Heppenheim, den 29. August 1918

 

   1. V. [gez.] Hammann

 [Regierungsrat]

 

 

 

 

Wie aber sah das Notgeld des Kreises Heppenheim aus? Der Entwurf ist als gelungen zu bezeichnen, die Prägung jedoch geriet etwas flach und unscharf, was schon der Kreisausschuß bemängelte. Die Beschreibung im einzelnen:

 

5 PFENNIG: 1918

 Eisen, rund, 20 mm Durchmesser, Schrotling 1 mm dick, Rand glatt, 2,5 g, insgesamt 104 640 Stück.

Vorderseite (Abb. 1):

Der hessen-darmstädtische Löwe in einem Sechseck, das gebildet wird von sechs mit ihren Ecken aneinanderstoßenden halbrunden Wappenschilden; zwischen den Schilden aufgeteilt sechs sechszackige Sterne; die Wappen verweisen auf einstige Landes- und Standesherrschaften im Kreisgebiet, dazu das Wappen der Stadt Wimpfen. Das Ganze in einem Perlkreis.

Die Wappen (im Uhrzeigersinn, oben beginnend):

1. Doppelrad: Kurfürstentum Mainz

2. Schlüssel: Bistum Worms

3. Stehendes Pferd: Bedeutung bisher unbekannt. Wappengleich ist Bad Rappenau, das aber nie zum Kreisgebiet gehört hat und um das es lediglich 1803-1806 Streitigkeiten zwischen Baden, Hessen und Württemberg gab.

4. Adler mit Schlüssel: ehem. Freie Reichsstadt Wimpfen

5. Grafschaft Erbach

6. Löwe: Kurfürstentum Pfalz.

Rückseite (Abb. 2):

Ein Vierpaß, der ein Viereck überschneidet, umschließt in seinen Bogen vier Eiserne Kreuze, in der Mitte die Wertangabe 5; Umschrift KREIS HEPPENHEIM . 19I8, unten eine Arabeske. Das Ganze im Perlkreis. 10 PFENNIG: 1918, Eisen, rund, 23 mm Durchmesser, Schrötling 1 mm dick, 3 g, insgesamt 51 190 Stück. Vorder- und (Abb. 3) Rückseite: Außer der größeren Ausführung und der Wertangabe 10 dem 5-Pfennig-Stück gleich.

 

10 PFENNIG: 1918, Eisen, rund, 23 mm Durchmesser, Schrötling 1 mm dick, 3 g, insgesamt 51 190 Stück. Vorder- und (Abb. 3) Rückseite: Außer der größeren Ausführung und der Wertangabe 10 dem 5-Pfennig-Stück gleich.



 

10 PFENNIG: 1918 (Abb. 3)

Eisen, rund, 23 mm Durchmesser, Schrötling 1 mm dick, 3 g, insgesamt 51 190 Stück. Vorder- und (Abb. 3) Rückseite: Außer der größeren Ausführung und der Wertangabe 10 dem 5-Pfennig-Stück gleich.

 

 

 

Nicht lange konnte sich die Bevölkerung des Kreises über die Milderung des Kleingeldmangels freuen, denn schon sieben Wochen nach der ersten Ausgabe der Münzen musste die Kreiskasse melden, sie habe von dem beschafften Notgeld (Wert 5 294 Mark) nur noch für 100 Mark Stücke zu 5 Pfennig. Am 25. Oktober 1918 genehmigte der Kreisausschuß die Bestellung von weiterem Notgeld in Höhe von 5000 Mark. Das Angebot der Firma Lauer, zu gleich bleibenden Preisen, jetzt aber mit 60 v. H. Teuerungszuschlag zu liefern, wurde am 5. November 1918 angenommen. Inzwischen war auch schon viel an Verwirrung in der Bevölkerung und an Behinderung des Handels dadurch beseitigt worden, dass die zahlreichen Stellen, die in der näheren und weiteren Umgebung Notgeld herausbrachten, gegenseitig die Gültigkeit für ihren Bereich anerkannten. Die meisten Kommunalverwaltungen waren im Herbst 1918 bereits dazu übergegangen, Notgeld nicht mehr in Münzen zu prägen, sondern als Scheine drucken zu lassen. Der Kreis Heppenheim lehnte es am 22. November 1918 ab, Notgeldscheine herauszugeben, und behalf sich weiter mit der oben erwähnten Neuauflage der Lauerschen Münzen.

 

Eine Übersicht soll die gesamte Notgeldbeschaffung des Kreises Heppenheim veranschaulichen:

 

                                                   5-Pf-          10-Pf-          Wert             Kosten

Beschluß      Lieferungen          Stücke       Stücke         in Mark        in Mark

__________________________________________________________________

 

10.5.1918     11.6.-5.9.18           54000         25940            5294            1.562,80

 

5.11.1918     11.12.1918 bis

                    12 .6.1919             50640         25250            5057            1.526,58

                          __________________________________________________________________

 

gesamt       1918/1919             104640        51190           10351            3.089,38

 


Die Zeit des Notgeldes neigte sich 1919 ihrem Ende zu. Mitte Februar teilte das Reichsministerium der Finanzen mit, dass „in kürzester Frist beträchtliche Mengen Kleingeld aus Aluminium, Zink und Eisen geprägt werden". Die Kreiskasse stellte am 28. Juni 1921 fest, dass sie an Kreis-Notgeld „keine Stücke mehr habe und solche auch sonst selten anzutreffen sind". Endlich ließ, aufgrund eines Reichsgesetzes vom 17. Juli 1922, auch der Kreis Heppenheim am 10. September 1922 sein Notgeld zur Einlösung aufrufen: „Das vom Kreis ausgegebene Notgeld wird innerhalb der [gesetzlichen] dreimonatigen Frist bei der Kreiskasse eingelöst. Mit Ablauf dieser Frist verliert das Notgeld  seine Gültigkeit“. Sehr gering war der Rücklauf der Notmünzen: Zu Ende der Umtauschfrist waren am 14. Dezember 1922 bei der Kreiskasse Münzen im Gegenwert von nur 34 Mark eingegangen, also vielleicht etwa 340 Fünfpfennig- und 170 Zehnpfennigstücke. Die übrigen, rund 155 000 Stück, blieben in den Schubladen der Bürger liegen oder wanderten in das Album der Sammler.

 

Mit seiner Maßnahme, Notmünzen herauszugeben, um dem Kleingeldmangel abzuhelfen, hat der Kreis Heppenheim selber kein schlechtes Geschäft gemacht. Ihm verblieben - nach Abzug der Herstellungskosten, von denen die Reichsbank die Hälfte trug - rund 8 500 Mark als Reingewinn. Den Depotschein über die hinterlegte Kaution von 10 000 Mark Kriegsanleihe gab die Reichsbankstelle Darmstadt dem Kreisamt am 22. August 1923 zurück.

 

Drei von den vier zur Prägung verwendeten Metallstempeln sind erhalten geblieben und werden im Heppenheimer Heimatmuseum aufbewahrt.

(Wertseite 5 Pfennig und Rückseite des 5 und 10 Pfennigstückes).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Original-Prägestempel

Museum für Stadtgeschichte und Volkskunde Heppenheim

 

 

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Das Inflationsgeld der Stadt Heppenheim

 

 

Kaum war der Kleingeldmangel behoben und das Kriegsnotgeld - das seinen Wert ja wenigstens einigermaßen bewahrt hatte - aus dem Verkehr gezogen, brach über Deutschland eine Katastrophe herein: die Inflation, die Geldentwertung. Krieg, Verluste von Absatzgebieten und Rohstoffquellen sowie hohe Reparationsleistungen hatten die Wirtschaft zerrüttet. Bald reichten die Banknoten nicht mehr aus, um die anschwellenden Geldsummen zu begleichen. So teilte die Bürgermeisterei Wimpfen dem Kreisamt Heppenheim am 7. August 1923 mit: „Durch die katastrophale Geldentwertung ist auch in Wimpfen eine Knappheit an Geldmitteln eingetreten, die panikartigen Charakter trägt. Die 400 Wimpfener Arbeiter des Neckarsulmer Fahrzeugwerks [= NSU] konnten ihre 5-Millionen-Scheine hier nicht wechseln lassen.

 

Die Saline Ludwigshall war kaum in der Lage, das Geld zu ihren Lohnzahlungen zu bekommen. Auch der Stadt Wimpfen ging es so für ihre städtischen Arbeiter und Beamten. Wir beabsichtigen, ... 100000- und 200000-Mark-Scheine herzustellen." Der Kreis genehmigte die Ausgabe nicht, dennoch erschien in Wimpfen zum 1. November 1923 Inflationsgeld, „vorläufig für 28,5 Billionen Mark". An vielen Orten wurde Inflationsgeld gedruckt, so auch in Mannheim, dessen Oberbürgermeister am 14. August 1923 um Anerkennung dieser Geldscheine im Heppenheimer Kreisgebiet bat: „Die Reichsbank ist seit einiger Zeit nicht mehr imstande, den infolge der überstürzt fortschreitenden Teuerung erforderlichen Notenbedarf auch nur annähernd bereitzustellen." Die Stadt Mannheim werde daher selber Notgeld drucken lassen, „um Stockungen in der Auszahlung der Löhne und Gehälter und dadurch etwa entstehende Ausschreitungen und Unruhen der Massen zu verhindern". Wie ungewiss die Anlieferung von Zahlungsmitteln durch die Reichsbank geworden war, lässt ein Rundschreiben des Kreisamtes Heppenheim vom 24. November 1923 an die Bürgermeistereien erkennen: „Unsere Kreiskasse wird voraussichtlich in der Lage sein, von nächstem Montagnachmittag an Auszahlungen der verschiedensten Art zu leisten. Es ist jedoch ratsam, am Vormittag telefonisch anzufragen, ob das zur Auszahlung geplante Geld bereitsteht, da eine Gewähr hierfür nicht übernommen werden kann.

 

Die Stadt Heppenheim hatte in ihrer Finanzkommission am 16. Oktober 1923 und zwei Tage später im Stadtrat beschlossen, eigenes Inflationsgeld herauszugeben. Diese „Gutscheine" wurden nach Entwürfen unbekannter Herkunft bei der Heppenheimer Druckerei Gustav Otto gedruckt und von der Stadtkasse ausgegeben, die mit ihnen „alle zu bezahlenden Beträge, Löhne, Gehälter, Vergütungen und Unterstützungen zu begleichen" hatte. Die spätere Einlösung sollte „durch einen außerordentlichen Holzhieb" in den Stadtwaldungen gesichert werden, und der Stadtrechner hatte jeden Freitag der Finanzkommission über den Betrag der ausgegebenen Scheine zu berichten

.

Nach diesen Vorbereitungen konnte die Heppenheimer Bevölkerung am 28. Oktober 1923 im „Verordnungs- und Anzeigeblatt" lesen: „Die hiesige Stadt hat zur Leistung ihrer Verpflichtungen zwar völlig hinreichenden Kredit, es stehen ihr aber zur Zeit entsprechende Mengen an Reichsgeldscheinen nicht zur Verfügung. Die Stadt ist daher gezwungen, ihre Zahlungen nicht nur durch Reichsgeld, sondern auch durch städtische Gutscheine zu begleichen. Die Gutscheine „ in Stücken zu 500 Millionen, 1 Milliarde und 5 Milliarden [Mark, im Gesamtwert von 20 Billionen Mark] gelten als öffentliches Zahlungsmittel und können im Verkehr unbedenklich angenommen werden. Die Bezirkssparkasse und die Filiale der Rheinischen Creditbank nehmen die Gutscheine in Zahlung. Sobald der gegenwärtige Mangel an Reichsgeldscheinen behoben ist, werden die Gutscheine bei der Stadtkasse wieder eingelöst." Ursprünglich geplante 100-Millionen-Scheine wurden erst gar nicht gedruckt. Die rapide Geldentwertung hatte sie überflüssig gemacht, die Stadt muss sogar bald 10- und 50-Milliarden-Scheine beschaffen. Die Million Mark war an die Stelle des Pfennigs getreten, man rechnete in Milliarden und Billionen. (Zur Verdeutlichung: 1 Billion, die Zahl mit zwölf Nullen, kommt 1 000 mal 1 000 Millionen gleich.) Am 1. November 1923 trat eine Erleichterung ein - allerdings nur für die Buchhalter und Rechner: Als kleinste Rechnungseinheit wurde die Million Mark (M.-M.) festgesetzt, und zur Vereinfachung der Schreibweise von Beträgen wurden die sechs Nullen der Million gestrichen. Im Taumel der Zahlen war am 19. November 1923 die Lebens­haltung gegenüber der Vorkriegszeit auf das 831-Milliardenfache gestiegen, am 26. d. M. bereits auf das 1-Billion-535-Milliardenfache; das Porto für eine Postkarte im Ortsverkehr betrug 16 Milliarden Mark. Und wenn jemand sein Geld im Koffer oder in der Einkaufstasche bei einer Kasse abholte, konnte er, daheim angekommen, gewiss sein, dass die Scheine unterdessen wieder beträchtlich an Kaufkraft eingebüßt hatten. Den geplagten Bürgern war Gelegenheit gegeben, eine traurige Bilanz zu ziehen: Vor genau 50 Jahren, am 18. Dezember 1873, war für das Deutsche Reich die Markwährung einheitlich eingeführt worden, und jetzt hatte sich dieses einst so gute, harte Geld in astronomische Zahlen auf Papierscheinen verwandelt.

 

Die Bemühungen der Stadt Heppenheim, dem inflationären Geldbedarf durch die Ausgabe von Scheinen nachzukommen, seien hier in einer Übersicht dargestellt:

 

                                                       Serien                                       Marktwert

Nennwert               Lieferung         Nummer              Stück            Billionen

_______________________________________ _________________________

500 Millionen         23.10.1923        D 0001-2400            zus.

 E 0001-1220           3600                   1,8

 1 Milliarde             23.101923         A 0001-5000           5000                   5,0

 5 Milliarden           23.10.1923        H 0001-2200           2200                 11,0

10 Milliarde        30.10.1923        D 2401-4000            zus.

                                                                                                        E 1201-4000           4400                  44,0

50 Milliarden          09.11.1923        K 0001-0800             800                  40,0

gesamt                                                                         16000                101,8

 

 

 

 

Beschreibung des Inflationsgeldes der Stadt Heppenheim


 

Größe 146 x 81 mm (der 1-Mrd.-Schein 155 x 93 mm); weißer Rand ca. 10 mm; Schrift in Fraktur. Angeblich weisen alle Werte außer 50 Mrd. ein Normal-Wasserzeichen auf. Auf jeden Fall zeigen die 5-Mrd.-Scheine den Namen der Papierfirma SCHAEUFELEN HEILBRONN (und wahrscheinlich auch das Wort NORMAL mit dem Zeichen der Papier-Verwendungsklasse 1 bis 4b) als Wasserzeichen über den Bogen verteilt.

 

Vorderseite:

Den verschiedenfarbigen Untergrund bildet ein Netz aus winzigen, ins Viereck gestellten Lilien bzw. (bei 50 Mrd.) aus Rauten. Oben links und rechts sowie darunter die Wertangabe. Unter letzterer der Vermerk: Dieser Gutschein der Stadt Heppenheim (Bergstr.) wird von der Stadtkasse in Zahlung genommen. Er verliert seine Gültigkeit mit dem Zeitpunkt, der in dem  Verordnungs- u. Anzeigeblatt für den Kreis Heppenheim 1 öffentlich bekannt gemacht wird. I Die Stadt Heppenheim a. d. B. haftet für die Einlösung. 1 Heppenheim (Bergstr.), den 18. Oktober [50 Mrd.: 5. November] 1923.1 [Rechts:] Der Bürgermeister: 1 [von Hand aufgestempelter Namenszug:] Wiegand

Links unten: Serie (schwarzer Buchstabe) und Nummer (rot) des Scheins.

 

Rückseite

Die Umrandung (nur bei 5 Mrd. fehlend) ist unterschiedlich gestaltet, ebenso die Wertangabe; gemein­sam im unteren Teil Stadt Heppenheim (Bergstr.) und das rechts (bei 10 Mrd. links) aufgestempelte Bürgermeisterei-Siegel mit dem seit 1913 gültigen Stadtwappen.

 

 

Im Einzelnen:

 

 

500 MILLIONEN MARK, 3 600 Stück

Vorderseite (Abb. 4): Auf blauem Untergrund in schwarzem Druck oben links und rechts 500 Millionen Mark, darunter größer Fünfhundert Millionen Mark.

Rückseite (Abb. 5): In blauem Druck unterhalb der Umran­dung Fünfhundert Millionen Mark, darunter das Stadt­wappen, flankiert von gewellten, aus senkrechten Strichen gebildeten Bändern.

1 MILLIARDE MARK, 5 000 Stück

Vorderseite (Abb. 6): Auf braunem Untergrund in schwarzem Druck oben links und rechts Eine Milliarde 14k., darunter größer Eine Milliarde Mark.

Rückseite (Abb. 7): Eine Milliarde Mark über dem seit 1913 gültigen Stadtwappen, das von je zwei viereckigen Orna­menten flankiert wird, alles in braunem Druc.k

 

5 MILLIARDEN MARK, 2200 Stück

Vorderseite (Abb. 8): Auf grünem Untergrund oben links und rechts 5 Milliarden Mark, darunter größer Fünf Mil­liarden Mark.

Rückseite (Abb. 9): Ohne Umrandung, schwarzer Druck auf Weiß, in den vier Ecken 5 1 Milliarden 1 Mark; von zwei schmalen, aus senkrechten Strichen gebildeten Streifen flankiert eine Ansicht der Ruine Starkenburg, schwarz auf grünem Untergrund im Rund; unterhalb des Bildes in der Rundung die Aufschrift STARKENBURG, neben ihr rechts die Signatur des Zeichners CK 20, auf den Baurat Carl Krauß und das Jahr 1920 hinweisend.

10 MILLIARDEN MARK (Aufdruck auf 500 Mio. Mark, siehe oben), 4400 Stück

Vorder- und Rückseite (Abb. 10 und 11): Der 500-Mio.-Schein beidseitig mit violettem Aufdruck (von links oben nach rechts unten) Zehn Milliarden Mk., links davon 10 I Milliarden 1 Mark, rechts das Stadtwappen von 1913.

50 MILLIARDEN MARK, 800 Stück

Vorderseite (Abb. 12): Auf braunem Untergrund oben links und rechts 50 Milliarden Mk., darunter Fünfzig Milliarden Mark.

Rückseite (Abb. 13): In schwarzem Druck oben Fünfzig Milliarden Mark, darunter in der Mitte im Rund (37 mm Durchmesser) das alte, 1905-1913 gebrauchte Stadtsiegel - es geht auf das älteste, 1330 belegte Stadtsiegel zurück und zeigt im kreisrunden Feld einen wachsenden Erzbischof mit Mitra, in der Rechten den Stab, in der Linken das Evangelienbuch vor der Brust haltend - mit der Umschrift + Siegel DER KREISSTADT HEPPENHEIM; rechts und links vom Siegel 50/ Milliarden/Mark.

 

 

Für die Herstellung dieser Scheine erhielt am 6. November 1923 die Druckerei Gustav Otto 3 Billionen Mark, (genau  : 3.164.430.000.000) Mark. Indes, die Inflation hatte ihren Höhepunkt überschritten. Bereits am 15. Oktober 1923 war die Rentenmark eingeführt und auch schon Rentengeld geprägt worden, so dass am 1. Dezember das oben erwähnte Postkarten-Porto von 16 Mrd. Mark auf 3 Rentenpfennig zurückging.

 

Am 24. Januar 1924 konnte der Bürgermeister im „Verordnungs- und Anzeigeblatt" bekannt geben: „Das von uns im Oktober 1923 ausgegebene Notgeld wird hiermit zur Einlösung aufgerufen. Einlösefrist bei der Stadtkasse ist bis 31.Januar 1924." Der Umtausch erfolgte im Verhältnis von 1 Billion Papiermark zu 1 Billion Rentenmark und zog sich bis in den Oktober 1925 hin. Zum Schluss waren städtische Inflationsscheine im Wert von 94 (Renten-)Mark umgetauscht und damit 92 v. H. des hergestellten Geldes wieder zurückgeflossen - ein weitaus lebhafterer Umtausch als seinerzeit beim Kriegsnotgeld des Kreises.

 

Als im Dezember 1925 die Rentenmark auf die Reichsmark umgestellt wurde, war damit ein Geld geschaffen, das erst im Zweiten Weltkrieg und vollends nach ihm an Wert verlor.

 

Dann allerdings war nicht mehr das Geld gefragt, sondern das Gut, die Ware, und diesmal kam es nicht mehr zu Notgeldausgaben im Kreisgebiet. Umso denkwürdiger sind die Maßnahmen von 1918/19 und 1923, den Geldfluss aus kom­munalen Mitteln aufrechtzuerhalten

.

Zu danken ist Herrn Erich Tautz für die Bereitstellung von Akten aus dem Archiv des Landratsamtes Bergstraße in Heppenheim.

 

 

 

 

Vorderseite           8,5 x 14,5 cm

 

 

 

 

Rückseite

 

 

 

 

Vorderseite      8,5 x 14,5 cm

 

 

 

Rückseite

 

 

 

Vorderseite        8,5 x 14,5 cm

 

 

 

 

Rückseite

 

 

 

Vorderseite   8,5 x 14,5 cm

 

 

Rückseite

 

 

Vorderseite   8,5 x 14,5 cm

 

 

 

Rückseite

 

 

Alle Aufnahmen der Münzen und Geldscheine aus der Sammlung von Jürgen Maurer

Weitere Originale: Sparkassenmuseum Museum

und Museum für Stadtgeschichte und Volkskunde Heppenheim

 

 

1. Internet-Version vom 18.11.2013.

Zurück zur Haupthomepage:

 

www.kunstsammlungmaurer.de

 

 

 

ENDE